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Das Wichtigste dieser Folge in Kurzform:

  • Eine gute Stresskompetenz ist eine der wichtigsten Ressourcen für dich als Lehrer.
  • Die zu entwickeln geht aber nicht über Nacht, sondern braucht die Bereitschaft, an sich und seinen Gewohnheiten etwas zu verändern.
  • Ich stelle dir einen 4-stufigen Lernprozess vor, der dir Orientierung auf deinem Weg hin zu einer besseren Stresskompetenz geben kann.

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Proaktiv mit dem eigenen Stresserleben umgehen zu können, ist in meinen Augen eine Schlüsselkompetenz von uns Lehrern.

Warum?

Weil der Lehrerberuf ein extrem stressbelasteter Beruf ist und Lehrer somit zur Hochrisikogruppe gehören, wenn es um Burnout und stressbedingte Erkrankungen geht.

So sieht z.B. dieses Gutachten zu den psychischen Belastungen im Bildungsbereich die Lehrer an der Spitze aller untersuchten Berufsgruppen.

Warum du dich um dein Stresskompetenz kümmern solltest

Ein gestresster Lehrer, der sich mit letzter Kraft zum Unterricht schleppt, kann aber kein guter Lehrer sein.

Alleine schon aus dem Wunsch heraus, für deine Schüler ein guter Lehrer zu sein, solltest du dich deshalb aktiv um dein Stresserleben kümmern und dich mit deiner Stresskompetenz auseinandersetzen.

(Tipp: Im Healthy Teacher Podcast findest du dafür jede Menge Anregungen wink)

Aber natürlich geht es nicht nur um deine Schüler.

Es geht nämlich auch (und vor allem) um dich.

Darum, dass du in deinem Job langfristig glücklich bist, genügend Zeit und Energie hast, um dich um alle deine Lebensbereiche zu kümmern (hee, da war doch noch was?!) und darum, dass du die besten Voraussetzungen schaffst, um langfristig gesund zu bleiben.

Letztlich also einfach darum, Spaß am Leben zu haben (das dürfen nämlich auch Lehrer!).

Lehrer heute – gestiegene Anforderungen, komplexere Aufgaben

Und das passiert (leider) nicht von alleine.

Jedenfalls nicht, wenn du in der heutigen Zeit Lehrer bist und hin- und hergeworfen bist zwischen Ministeriumsvorgaben, Schulamtsregularien, Helikoptereltern, Vergleichsarbeiten, AGs und „Außendarstellungsprojekten“, „Sozialarbeitszusatzaufgaben“ und – man glaubt es manchmal kaum – so etwas wie normalem Unterricht.

Puhh, jetzt bin ich doch fast etwas sarkastisch geworden.

Rückzug ist keine Alternative

Aber mal im Ernst: Die heutigen Aufgaben von uns Lehrern sind gemessen an früheren Tagen um einiges komplexer geworden.

Viele Kollegen versuchen, mit den gestiegenen Anforderungen umzugehen, indem sie sich innerlich mehr und mehr aus dem Schulgeschehen zurückziehen.

Ich glaube allerdings, dass das keine gute Lösung ist.

Weil man sich dazu ein gutes Stück weit von seinem inneren Gefühlserleben abkoppeln muss.

Und Gefahr läuft, zu einem relativ miesgelaunten und wenig begeisterungsfähigen Menschen zu werden.

Abgesehen davon, fällt es einem auch schwer, glücklich zu sein, wenn man keinen Zugang zu seinem Gefühlsleben mehr hat.

Ich für mich habe jedenfalls entschieden, dass das nicht mein Weg ist.

Also, Ärmel hochgekrämpelt und in die Hände gespuckt.

Jetzt wird der Stress gemanaged!

Stressmanagement braucht Zeit und Übung

So leicht ist es aber leider dann auch wieder nicht.

Ein gutes Stressmangement ist mehr als ein paar Techniken zur Entspannung kombiniert mit ein paar Sinnsprüchen für ein glückliches Leben.

Ein gutes Stressmangement ist eine umfangreiche Kompetenz, die man sich erstmal „draufschaufeln“ muss.

Und das ist nicht über Nacht getan.

Warum Stressmanagement-Fortbildungen meist nicht funktionieren

Deshalb verpufft auch die Wirkung von vielen Stressmanagement-Seminaren, in denen es in erster Linie um die Vermittlung von einigen praktischen Techniken geht.

Die muss man nämlich auch erstmal umsetzen. Und das bedeutet, man muss seine Gewohnheiten ändern!

Und schon ist man mitten drin in Themen wie Mentalstrategien, Glaubenssatzarbeit, unbewussten Überzeugungen, die dem Veränderungswunsch entgegenstehen, eigenen Ängsten, mit denen man sich rumschlagen muss und etlichen anderen Dingen, an die man vielleicht im ersten Moment gar nicht gedacht hat, wenn man an sein eigenes Stresserleben denkt.

Stressmangement und der aktive Umgang mit dem eigenen Stresserleben ist eine komplexe Angelegenheit.

Und eben eine der wichtigsten Kompetenzen für dich als Lehrer!

Vielleicht ist das am ehesten vergleichbar mit dem Erlernen einer neuen Sprache oder dem Autofahren.

Und wenn es um das Thema Lernen geht, fallen mir immer sofort die vier Stufen der Kompetenz ein.

Und genau die will ich dir heute für das Thema Stresserleben und Stressmangement vorstellen.

Es geht also um die vier Stufen der Stresskompetenz.

Stufe 1: Unbewusste Inkompetenz

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sagt Sokrates – und ist damit auch schon eine Stufe weiter, als die erste Stufe der Kompetenz.

Denn ganz am Anfang wissen wir nicht einmal, dass wir nichts wissen.

Unbewusste Inkompetenz beim Autofahren…

Im Beispiel des Autofahrens sind wir alle als Kinder auf dieser Stufe gewesen.

Wir konnte nicht Autofahren, wussten aber auch noch nicht, dass uns etwas fehlt und hatten auch noch nicht den Wunsch, es zu lernen.

Der Gedanke, dass man selbst Autofahren kann, war sozusagen nicht in unserer Welt vorhanden.

…und in der Schule

Bezogen auf die Schule bedeutet die Stufe der unbewussten Kompetenz, dass wir jeden Tag in den Unterricht gehen, unsere Arbeit machen und unsere Höhen und Tiefen erleben.

Vielleicht merken wir, dass die Tiefen doch manchmal ganz schön tief sind und der Besuch auf den Höhen doch oft recht kurz ausfällt.

Aber wir nehmen das als die normalen Begleiterscheinungen des Lehrerberufs wahr.

Und freuen uns auf das Wochenende und die Ferien.

Letztlich machen wir also das, was ein Großteil aller Arbeitsnehmer macht.

Irgendwann aber kommt vielleicht der Gedanke auf, dass das so nicht alles gewesen sein kann. Dass es nicht so weiter gehen kann und soll, bis wir dann irgendwann die Pension oder die Rente erreicht haben.

Mir ging es jedenfalls genauso.

Obwohl ich am Ende meines Studiums schon einen Burnout erlebt hatte und auf eine etwas härtere Art und Weise gelernt hatte, meine Grenzen zu respektieren, hatte ich die ersten Jahre meines Lehrerlebens oft das Gefühl, dass ich nur in den Ferien ich selbst bin.

Frei nach Ödön von Horvath:

„Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.“

Und so langsam kam in mir der Gedanke auf, dass ich das so nicht die nächsten 20 oder 30 Jahre weiter machen wollte.

Wenn es dir da ähnlich geht, dann willkommen auf Stufe 2, die bewusste Inkompetenz.

Stufe 2: Bewusste Inkompetenz

Auf dieser Stufe merken wir nämlich, dass uns etwas fehlt. Wir wissen vielleicht noch nicht, was genau das eigentlich ist, aber wir machen uns auf die Suche.

So ging es den meisten von uns als Jugendliche.

Die Tücken des Landlebens…

Falls du, so wie ich, eher in einer ländlichen Gegend aufgewachsen bist dann weißt du, wie groß der Wunsch ist, sich dort frei bewegen zu können.

Der Führerschein war damals deshalb das wichtigste Ziel für mich.

Ich war mir bewusst, dass ich noch nicht fahren konnte/durfte, wollte aber den Führerschein unbedingt machen.

…und was das mit deinem Job als Lehrer zu tun hat

Nachdem ich einige Jahre im Lehrerjob war, war ich genau auf dieser Stufe angekommen.

Ich habe dann angefangen, mehr im Internet nach Themen wie Stressmanagement, Entspannungstechniken, Selbstmanagement und allg. Persönlichkeitsentwicklung zu suchen.

Letzteres hat mich zwar quasi schon seit meiner Kindheit interessiert, aber wie gesagt – „…nur komme ich so selten dazu“.

Wer weiß, vielleicht bist du ja genau auf die Art und Weise bei meinem Podcast und diesem Artikel gelandet.

Wie ich NLP für mich entdeckt habe

Ich bin damals über das Neurolinguistische Programmieren (NLP) gestolpert und habe auch einige Techniken ausprobiert, die ich im Internet gefunden hatte.

Ich kann mich an eine Gelegenheit erinnern, bei der ich ein für mich damals sehr großes Problem mit einem solchen Format aus dem NLP bearbeitet hatte.

Einige Tage später war nicht nur mein Problem gelöst, ich konnte mich auch nicht mehr an das Problem erinnern!

Bis heute weiß ich nicht mehr, um was es damals ging. Ich erinnere mich nur noch daran, dass es da das Problem gab und dass es hinterher irgendwie verschwunden war.

Was für solche NLP-Formate ein recht häufiges Ergebnis ist, wie ich mittlerweile weiß.

Aber zurück zur Stufe 2.

Aus dem Bewusstsein, dass einem etwas fehlt, dass man also neue Ressourcen braucht, um die bestehenden Probleme in Angriff zu nehmen, entsteht der Wunsch, neue Strategien zu lernen.

Sich also z.B. Techniken aus dem Stressmanagement anzueignen oder Methoden auszuprobieren, wie man zeitsparender und effizienter arbeiten kann.

Vielleicht besuchst du ein Seminar oder eine Fortbildung über Stressmanagement für Lehrer oder du besorgst dir Bücher zum Thema.

Oder du hörst einen Podcast darüber smile.

Für mich war das damals u.a. eine umfangreiche Coaching-Ausbildung in NLP, weil ich damit ja schon einige beeindruckende Erfahrungen gemacht hatte.

Wenn wir neue Strategien gefunden haben, sind wir auf Stufe 3 angekommen.

Stufe 3: Bewusste Kompetenz

Wir haben jetzt zwar neue Ressourcen gelernt, um mit unseren Problemen besser umzugehen, aber wir müssen und sehr bewusst darauf konzentrieren, diese auch anzuwenden.

Die neuen Fähigkeiten sind uns eben noch nicht in „Fleisch und Blut“ übergegangen.

Aller Anfang ist schwer

Als Fahranfänger muss man sich eben noch sehr auf die Bewegungsabläufe beim Schalten konzentrieren. Das Einparken funktioniert vielleicht auch noch nicht jedesmal und man kann auch die Verkehrssituation nicht immer sofort einschätzen.

Man muss sich eben noch sehr auf das Fahren konzentrieren.

Bezogen auf die Schule heißt das vielleicht, dass du weißt, wie du dich z.B. mit Atemtechniken schnell wieder beruhigen kannst (höre dir dazu auch die Folge 3 und die Folge 35 (ab Minute 27:55) an, da geht´s konkret um solche Atemtechniken), wenn es einmal sehr hektisch wird, aber du machst es eben doch noch sehr selten.

Die Hektik des Schulvormittags

Häufig vergisst man im hektischen Schullalltag solche Dinge auch einfach.

Wie hektisch ein „normaler“ Schulvormittag eigentlich ist, habe ich sehr eindrucksvoll erlebt, als meine Mutter, die mittlerweile leider verstorben ist, sehr krank war.

Obwohl ich mir damals permanet große Sorgen gemacht habe, war es so, dass sobald ich das Schulgebäude betreten hatte, ich nicht mehr daran gedacht habe, solange bis ich mittags wieder aus der Schule kam.

Es war einfach kein Platz mehr dafür.

Kein Wunder, dass es uns gerade in der Schule dann schwerfällt, die ganzen Ideen und Techniken aus dem Selbst- und Stressmanagement auch umzusetzen.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Letztlich geht es auf dieser Stufe darum, neue Gewohnheiten zu bilden.

Das ist sowieso schon nicht einfach, aber unter den teilweise extremen Bedingungen während eines Schulvormttags ist es noch schwieriger.

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass eine Studie herausgefunden hat, dass das Stresslevel von Lehrern am Schulvormittag in etwa dem von Ärzten in der Notaufnahme entspricht.

Und gerade deshalb ist es so wichtig, neue Gewohnheiten rund um sein Stresserleben zu bilden.

Denn ohne neue, feste Gewohnheiten, wenden wir unser neu gewonnenes Wissen eben viel zu selten an, so dass es (noch) kaum eine spürbare Entlastung gibt.

Vielleicht ist das auch einer der Hauptgründe dafür, warum Stressmanagement-Fortbildungen bei Lehrern wenig beliebt sind.

Weil dort eben nur eine handvoll von Techniken vorgestellt wird, ohne darauf einzugehen, wie man die in seinem Alltag verankern kann.

Das kann aber ganz einfach sein!

Mini Habits – wecke das (Gewohnheits-)Tier in dir!

Eine tolle Strategie dafür ist die Strategie der Mini Habits, die ich dir in Folge 36 vorgestellt habe.

Höre dir diese Folge unbedingt an, wenn du auf einfache Weise neue Gewohnheiten aufbauen willst!

Hier habe ich auch noch einmal das Buch für dich aus der Folge verlinkt:

(Werbung)

Ich habe dir hier mal die deutsche Ausgabe (Werbung) verlinkt. Falls du das Buch lieber im englischen Original lesen möchtest, findet du es hier (Werbung).

Wenn wir das erreicht haben und wir ganz autmatisch die Dinge machen, die uns gut tun, dann haben wir Stufe 4 erreicht.

Stufe 4: Unbewusste Kompetenz

Auf der Stufe der unbewussten Kompetenz wenden wir das neue Wissen ganz automatisch an. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, wie oder wann wir etwas machen, wir machen es einfach.

Eben völlig unbewusst.

Wie bin ich da bloß hingekommen?

Als geübter Autofahrer fährt man ganz automatisch, ohne sich bewusst Gedanken darüber zu machen.

Wahrscheinlich ist dir das auch schon öfters passiert, dass du an deinem Ziel angekommen bist und dich nicht mehr so richtig daran erinnern konntest, wie du dorthin gekommen bist.

Ich habe so mal 100 km auf der Autobahn zurückgelegt.

Ich hatte auf dem Navi gesehen, wie viele Kilometer es noch waren und das nächste Mal, als ich drauf geschaut haben, waren es 100 km weniger.

Mir kam es aber vor, als wenn nur 5 Minuten vergangen wären.

Neue Denkgewohnheiten entwickeln

In der Schule könnte das z.B. auch bedeuten, dass du in deinem Umgang mit den Schülern oder den Kollegen selbstbestimmter auftrittst.

Weil du eine neue Denkgewohneit entwickelt hast und gelernt hast, Grenzen zu setzen.

Und das jetzt automatisch passiert.

Damit hättest du eine wichtige Ressource für deine gesunde Stresskompetenz gewonnen.

Letztlich geht es also genau darum, neue Ressourcen und Kompetenzen zu entwickeln und die so fest zu verankern, dass sie dein neues „Normal“ werden.

Warum du die 4 Stufen der Kompetenz kennen solltest

Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, warum man diese 4 Stufen der Kompetenz kennen sollte. Oder zumindest mal davon gehört haben sollte.

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach.

Navi für deinen Lernprozess

Die 4 Stufen der Kompetenz können dir zeigen, wo du in deinem Lernprozess gerade stehst.

Oft ist es ja so, dass man etwas Neues lernt und es ausprobiert und dann feststellt, dass es nicht so richtig funktioniert.

Vielleicht hast du mal Autogenes Training ausprobiert, es eine Zeit lang gemacht und es dann wieder gelassen, weil die Ergebnisse nicht so waren, wie du es erwartet hast.

So ging´s mir jedenfalls mit dem Autogenen Training (kommt noch auf meine ToDo-Liste!).

Wenn man dann aber weiß, dass es meist eben doch erstmal Übung braucht, um auf die Ebene der unbewussten Kompetenz zu kommen, ist man vielleicht geduldiger mit dem eigenen Lernprozess.

Lage- vs. Handlungsorientierung

Gerade beim Thema Stressmangement ist es ja häufig so, dass man durchaus weiß, was einem gerade gut tun würde.

Und es dann doch wieder nicht macht.

Und dann schnell glaubt, dass die ganze Sache mit dem Stressmanagement ja doch nicht funktioniert und die Rahmenbedingungen eben schlecht sind und man ja doch nichts ändern kann.

In der Psychologie spricht man dann von Lageorientierung statt – wie es wünschenswert wäre – einer Handlungsorientierung.

So etwas soll ja unter Lehrern durchaus verbreitet sein wink.

Sich dann noch einmal bewusst zu machen, dass man eben alle vier Stufen der Kompetenz durchlaufen muss, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen, kann helfen, an der Sache „dran zu bleiben“.

Und das lohnt sich!

Denn mit einer guten Stresskompetenz hast du die besten Karten in der Hand, um gelassener durch deinen Tag zu kommen und am Ende des Tages auch noch Energie zu haben für die Dinge, die eben auch wichtig sind.

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Das waren sie auch schon, die 4 Stufen der Kompetenz.

Schreib mir deine Gedanken dazu und welche Erfahrungen du in deinen Lernprozessen gemacht hast.

Ich freue mich drauf!

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