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Das Wichtigste dieser Folge in Kurzform:

  • Großzügiges Verhalten und Altruismus sind wichtige Werte in vielen Kulturen.
  • Auch die aktuelle Forschung bestätigt, dass solche Verhaltensweisen eine wichtige Rolle für das persönliche Glück spielen.
  • In dieser Folge stelle ich dir einige dieser Forschungen vor und du bekommst einige Vorschläge dafür, wie du mehr Großzügigkeit in deinen Alltag bringen kannst.

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Im dritten Teil der Serie über die 4G der Happsters geht es um Giving, also Großzügigkeit. Auch die hat nämlich einen großen Einfluss darauf, wie gut wir uns fühlen – das wurde mittlerweile duch eine ganze Reihe verschiedener Studien bestätigt.

Die Basis für großzügiges Handeln ist Empathie – die Fähigkeit, sich in jemand anderen hineinfühlen zu können. Und das ist natürlich eine sehr wichtige Eigenschaft für uns als Lehrer.

Immer wieder gibt es im Unterricht bzw. im Verlauf des Vormittags auch kritische Situationen, in denen sich Schüler auch sehr grenzwertig verhalten können. In solchen Situationen ist es wichtig, dass ich mich als Lehrer schnell in alle Beteiligten hineinversetzen kann, damit ich angemessen und richtig reagiere.

Eine eng mit Empathie verbundene Kompetenz ist, Mitgefühl für andere Menschen empfinden zu können – denn um mit jemandem mitfühlen zu können, muss ich mich schließlich in denjenigen hineinversetzen können.

Beides zusammen – Empathie und Mitgefühl – ist die Grundlage für großzügiges Handeln und den Wunsch, anderen Menschen helfen zu wollen.

Ein solches Verhalten, bei dem es darum geht, anderen zu helfen und dabei u.U. auch eigene Nachteile in Kauf zu nehmen, bezeichnet man als altruistisches Verhalten. Und das gibt es nicht nur bei uns Menschen, sondern auch im Tierreich.

In der Biologie gibt es verschiedene Erklärungen dafür, warum Tiere durch ihr Verhalten eigene Nachteile in Kauf nehmen.

Bei uns Menschen zeigen neuere Studien, dass ein Grund für großzügiges Verhalten möglicherweise einfach ist, dass es uns glücklich macht.

Großzügigkeit macht glücklich

So haben Forscher der Universität Lübeck, der Universität Zürich und der Feinberg School of Medicine in Chicago ein Experiment durchgeführt, bei dem sie 50 Probanden über einen Zeitraum von vier Wochen Geldgeschenke versprochen haben (hier findest du die Originalstudie, hier ein Bericht über das Experiment). Die Teilnehmer bekamen das Geld also nicht tatsächlich, es wurde ihnen nur in Aussicht gestellt.

Eine Gruppe der Teilnehmer sollte sich nun überlegen, wie sie das Geld für sich selbst ausgeben würden, die zweite Gruppe sollte überlegen, wem sie mit dem Geld eine Freude bereiten könnten. Beide Gruppen notierten ihre Überlegungen schriftlich.

Nach vier Wochen erhielten beide Gruppen dann tatsächlich einen Geldbetrag, den sie mit jemanden teilen sollten, wobei die Teilnehmer selbst entschieden, wie viel des Geldbetrags sie abgeben wollten.

Vorher und nachher wurden die Teilnehmer zu ihrem aktuellen Glücksgefühl befragt und während ihres Entscheidungsprozesses wurde die Gehirnaktivitätz mittels MRT (Magnetresonanz-Tomografie) untersucht.

Die Ergebnisse waren ziemlich beeindruckend:

Die Gruppe, die in den vier Wochen vorher den versprochenen Geldbetrag für jemand anderen ausgeben wollte, teilte während des Versuchs den tatsächlichen Geldbetrag bereitwilliger als die Kontrollgruppe. Und sie schätzen ihr eigenes Glückslevel insgesamt auch höher ein als die Kontrollgruppe.

Das zeigte sich auch im Gehirnscan. Die Forscher konnten zeigen, dass durch das großzügige Handeln der sog. temporoparietale Übergang aktiviert wurde (ein Gehirnareal, das mit Altruismus in Verbindung gebracht wird). Außerdem wurde auch die Verbindung des parietalen Übergangs zu einem der Glückszentren des Gehirns aktiviert.

Kurz gesagt: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Großzügigkeit glücklich macht – und dazu reichte bereits die Absicht aus, jemand anderem etwas Gutes tun zu wollen!

Eigentlich ist das ja auch keine neue Erkenntnis. „Geben ist seliger denn nehmen“ ist ein bekanntes Zitat, das aus der Bibel stammt und genau das aussagt.

Großzügigkeit macht uns aber nicht „nur“ glücklicher, sondern hat noch viele weitere positive Effekte auf unser Wohlbefnden. Auch die sind mittlerweile durch verschiedene Studien dokumentiert.

Großzügigkeit hilft gegen Stress

So kommt eine Studie der University of Yale zu dem Ergebnis, dass Großzügigkeit und altruistisches Verhalten Stress reduzieren kann und die positiven Gefühle und das persönliche Wohlbefinden stärkt.

Dazu wurden 77 Erwachsene zwischen 18 und 44 Jahren über eine Dauer von zwei Wochen nach dem Status ihres persönlichen Wohlbefindens befragt. Dies passierte mit Hilfe einer App, in die die Teilnehmer täglich ihre Einschätzung eintrugen.

Parallel dazu notierten die Teilnehmer auch, ob und welche stressigen Ereignisse es an den verschiedenen Tagen gab und ob sie anderen Menschen geholfen hatten.

Es zeigte sich, dass die Einschätzung des persönlichen Wohlbefindens bei den hilfsbereiten Teilnehmern an der Studie besser ausfiel und dass sich auch die Reaktion auf die stressigen Ereignisse verändert hatte: Es gab mehr positive und weniger negative Reaktionen auf die verschienenen Stressauslöser.

Zusammegefasst: Hilfsbereitschaft und altruistisches Verhalten verringert den Stress und steigert die positiven Gefühle in unserem Leben. Die negativen Auswirkungen von belastenden Situationen auf das eigene Wohlbfinden werden abgepuffert.

Aber damit hören die positiven Wirkungen großzügigen Handelns noch nicht auf.

Großzügigkeit hat weitere positive Auswirkungen

Eine ganze Reihe weiterer Studien zeigen, dass großzüge Menschen

  • mehr Energie haben,
  • einen niedrigeren Blutdruck und dadurch eine höhere Lebenserwartung haben,
  • unempfindlicher gegenüber Schmerz sind,
  • weniger unter Angstgefühlen leiden und
  • weniger häufig unter depressiven Verstimmungen leiden.

Das Buch „Ein Pfad entsteht(Werbung) von Nicholas D. Kristof und Sheryl WuDinn enthält dazu viele inspirierende Gedanken und auch Verweise auf die entsprechenden Studien. Außerdem findest du hier ebf. noch weiterführende Informationen.

Großzügige Menschen verdienen besser

Eine Langzeitstudie der Universität Stockholm konnte zeigen, dass großzügige Menschen mehr Geld verdienen. Das ist für uns als Lehrer vielleicht nicht ganz so relevant, da wir mit der Besoldung ja (zumindest zur Zeit noch) ein sehr starres Vergütungssystem haben, aber es zeigt, wie vielfältig die Vorteile von großzügigem Verhalten sind.

Für die Studie wurden die Daten von über 60.000 Menschen ausgewertet, wobei die Einchätzung der Großzügigkeit sowohl auf Basis eigener Einschätzungen der Teilnehmer als auch auf Basis von Fremdeinschätzungen erfolgte.

Alles in allem stellt großzügiges Verhalten eine weitere sehr effektive Möglichkeit dar, die eigene Resilienz und das eigene Wohlbefinden zu steigern um so mit den täglichen Herausforderungen in unserem Beruf besser umgehen zu können.

Und dabei reicht bereits die Absicht aus, sich anderen gegenüber großzügig zu verhalten. Es kommt also gar nicht immer darauf an, die eine große, selbstlose Tat zu vollbringen. Es sind die kleinen, großzügigen Gesten im Alltag, die uns da schon voranbringen.

Großzügigkeit ist keine Aufopferung

Gesagt werden muss aber an dieser Stelle auch, dass es beim großzügigen Verhalten auf keinen Fall darum geht, sich für andere aufzuopfern!

Wir profitieren nur dann von den positiven Auswirkungen der Großzügigkeit, wenn wir uns dabei nicht für andere aufopfern. Wer permanent mehr gibt, als er hat, brennt innerlich aus – und kann dann gar nichts mehr geben.

Das ist leider auch immer wieder ein Problem für viele Lehrer, die das Gefühl haben, sie müssten immer für ihre Schüler da sein und z.B. bis tief in die Nacht ihren Unterricht vorbereiten oder sich die Probleme ihrer Schüler so zu Herzen nehmen, dass sie selbst enorm darunter leiden.

Ich kenne solche Fälle aus eigener Erfahrung, i.d.R. führt das dazu, dass die Betreffenden über kurz oder lang nicht mehr als Lehrer arbeiten können.

Und damit ist weder ihnen noch ihren Schülern geholfen.

Was du tun kannst, um dich großzügiger zu verhalten

Nachdem ich das noch einmal gesagt habe, jetzt zur Frage, wie du mehr Großzügigkeit in deinen Alltag bringen kannst.

Wenn du dir dir Vorteile großzügigen Verhaltens vor Augen hältst, macht das natürlich Sinn. Wie das aussehen kann, dazu habe ich hier ein paar Inspirationen für dich.

Viele Höflichkeitsformen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten (es aber leider nicht immer sind), sind eigentlich ein Ausdruck von großzügigem Handeln.

Achte in deinem Alltag bewusster auf solche Höflichkeitsformen, dann bringst du automatisch mehr Großzügigkeit in dein Leben – und kannst die Folgen davon genießen.

Großzügig durch den Schulvormittag

Der Vormittag als Lehrer ist geprägt duch viele soziale Interaktionen – das macht unseren Beruf so liebenswert und auch so anstrengend. Und es bietet uns auch viele Gelegenheiten, großzügiges Verhalten in unseren Alltag zu integrieren.

Einfach mal „Danke“ sagen

Dazu gehören z.B. bewusst „Bitte“ und „Danke“ zu sagen, genauso wie ein bewusst ausgesprochenes „Guten Morgen!“ – nicht bei allen Kollegen eine Selbstverständlichkeit.

Sage auch einmal bewusst ein Dankeschön an diejenigen Menschen in der Schule, die scheinbar Selbstverständliches leisten, was aber für den Schulbetrieb immens wichtig ist. Ich denke z.B. an die Putzkräfte, die Sektretärinnen oder den Hausmeister der Schule.

Großzügigkeit gegenüber deinen Schülern

Auch seinen Schülern gegenüber kann man als Lehrer großzügig sein. Manche Lehrer sind sehr darauf bedacht, auf die Einhaltung einmal festgelegte Regeln unter allen Umständen und ohne Ausnahmen zu bestehen.

Dabei darf man auch hier manchmal großzügig sein und verständnisvioll ein Auge zudrücken, wenn ein Schüler einmal nicht alles nach Vorschrift gemacht hat.

Allerdings: Das sollte eine (begründete) Ausnahme sein und man darf dabei auch keine Schüler bevorzugen. Dann allerdings kann so ein Verhalten zu einem vertrauensvollen Lehrer-Schüler-Verhältnis beitragen und ganz nebenbei tust du dir selbst damit etwas Gutes.

Großzügigkeit gegenüber den Kollegen

Im Schulalltag kommt es regelmäßig vor, dass Kollegen fragen, ob sie z.B. eine Unterrichtsstunde haben können, weil sie die noch brauchen, um die anstehende Klassenarbeit schreiben zu können.

Oder sie möchten eine Busaufsicht tauschen, weil sie nach der Schule noch einen Termin haben.

All das sind sehr gute Gelegenheiten, sich großzügig zu verhalten und damit auch das eigene Wohlbefinden zu steigern.

Regelmäßig etwas spenden

In vielen (z.T. religiösen) Traditionen spielt der sog. „Zehnte“ eine Rolle. Man solle den zehnten Teil seines Lohnes (also 10%) an Bedürftige abgeben.

Du musst nicht gleich 10% spenden, aber einen kleinen Betrag regelmäßig für einen guten Zweck zu spenden, hilft nicht nur dem Empfänger, sondern steigert auch dein eigenes Wohlbefinden.

Dafür gibt es viele Möglichkeiten – mittlerweile auch quasi ganz nebenbei. So gibt es Pfandautomaten in Supermärkten, bei denen man den Pfand direkt spenden kann, statt ihn sich auszahlen zu lassen.

In eine ähnliche Richtung geht auch die Aktion „Aufrunden bitte“, bei der man an der Supermarktkasse beteiligter Einkaufsmärkte den Einkaufsbetrag zugunsten von Kinderhilfsprojekten aufrunden kann.

Oder aber du spendest einen regelmäßigen Betrag an ein Projekt, von dem du überzeugt bist, dass es sinnvoll ist. Auch der Förderverein der eigenen Schule ist immer dankbar für Unterstüzung.

Großzügigkeit geht auch ohne Geld

Aber natürlich bezieht sich großzügiges Handeln nicht nur auf das Geben von Geldbeträgen.

Du kannst z.B. im Supermarkt auch großzügig sein, indem du an der Kasse die Person hinter dir vorlässt, die vielleicht nur 4 oder 5 Teile hat.

Oder du lässt im Straßenverkehr einen anderen Autofahrer vor oder überlässt jemandem deinen Parkplatz.

All das sind ebenfalls Möglichkeiten, sich großzügig gegenüber anderen zu verhalten und so aktiv auch zum eigenen Wohlbefinden beizutragen.

Ehrenamtliches Engagement

Auf die positiven Auswirkungen von ehrenamtlichen Tätigkeiten hatte ich ja schon in Folge 21 hingewiesen. Dort ging es ja darum, dass ein Ehrenamt eine gute Möglichkeit ist, die eigenen sozialen Kontakte zu stärken und dadurch zum eigenen Wohlbefinden beizutragen.

Aber ehrenamtliches Engagement stellt natürlich auch einen Ausdruck von großzügigem Verhalten dar.

Sich ehrenamtlich zu betätigen, stärke das eigene Wohlbefinden und die eigene Resilienz also gleich auf mehreren Wegen.

Random Act of Kindness

Weil großzügiges Verhalten so viele Vorteile auch für einen selbst bringt, wundert es nicht, dass dazu eine ganze Bewegung exisitert, die sich zum Ziel gesetzt hat, mehr Großzügigkeit in unser Leben zu bringen.

Die Rede ist von der „Random Act of Kindness“ – Bewegung.

Auf Deutsch in etwa „zufällige, freundliche Handlungen“. Gemeint ist damit, dass man zufällig ausgewählten Leuten mit bewusster Freundlichkeit begegnet und ihnen bewusst etwas Gutes tut.

Dabei geht es nicht in erster Linie um materielle Dinge, sondern einfach um kleine freundliche Gesten, die man anderen zukommen lässt.

Das hat eben nicht nur positive Auswirkungen auf den „Beschenkten“, sondern auch derjenige, der sich freundlich verhält, profitiert auf vielfältige Weise davon.

Eine gute Übersicht dazu (inkl. einer Übersicht über die Forschungen zu dem Thema) findest du hier.

Die Website randomactofkindness.org bietet viele Inspirationen dafür, wie so etwas konkret aussehen kann. Hier finden sich z.B. gleich 50 Vorschläge, was so ein „random act of kindness“ sein könnte.

Viele Links zu Forschungsartikeln über die positiven Auswirkungen der Großzügigkeit und des „random act of kindness“ findest du auch hier. Plus: Die Website enthält auch viele Vorschläge, wie das in Schulen aussehen kann (es gibt auch ganze eBooks mit konkret ausgearbeiteten Plänen für verschiedene Jahrgangsstufen) und eine Übersicht verschiedenster Internetseiten zum Thema.

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Was denkst du über das Thema Großzügigkeit? Findest du, dass großzügiges Verhalten bei uns Lehrern regelmäßig praktiziert wird? Oder sind deine Erfahrungen eher anders und du bist der Meinung, dass Lehrer meist eher als Einzelkämpfer unterwegs sind und sich wenig großzügig verhalten?

Schreibe mir deine Erfahrungen zu dem Thema und lass mich wissen, wie dir dieser Artikel gefallen hat!

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